„Um wirklich zu leben, kann man nicht sitzen bleiben. Leben heißt immer: sich in Bewegung setzen, auf den Weg machen, träumen, planen, offen für die Zukunft sein.“
(Im Oktober 2024 bei einer Predigt im Petersdom)
Er sitzt. Weil er nicht mehr lange stehen kann. Doch er ist in Bewegung, dieser Papst Franziskus. Bei der XIII. Ministrantenwallfahrt am 30. Juli 2024 fotografierte ihn Maximilian von Lachner. Auf dem Petersplatz in Rom. Das Pontifikat von Franziskus begann im März 2013. Mit seinem Tod am Ostermontag, dem 21. April 2025 endete es. Was bleibt?
„Um wirklich zu leben, kann man nicht sitzen bleiben. Leben heißt immer: sich in Bewegung setzen, auf den Weg machen, träumen, planen, offen für die Zukunft sein.“
Mancher staunte über die Wahl dieses argentinischen Kardinals und Angehörigen des Jesuitenordens, der den bürgerlichen Jorge Mario Bergoglio trug. Franz von Assisi wählte er als seinen Namenspatron als Papst. Jenen verwöhnten, reichen Kaufmannssohn, der nach einer Begegnung mit einem an Lepra Erkrankten sein Leben radial änderte, mit seinen Gefährten als „Armer unter Armen“ lebte. An der Schönheit von Gottes Schöpfung konnte er sich unfassbar freuen. Unverdrossen predigte Franz über die frohmachende Botschaft Jesu von Liebe, Versöhnung und Akzeptanz. Das verkündete er auch und gerade denen, die in der Gesellschaft eher am Rand standen und den Augen mancher Kirchenvertreter im Hochmittelalter entschwunden waren.
Nach 1200 Jahren war Franziskus der erste Nichteuropäer als geistliches Oberhaupt der Katholiken. Als „Papst vom Ende der Welt“ sah er sich. Wert legte er wie sein Vorbild Franz von Assisi auf Einfachheit. Bescheiden blieb er in vielfacher und vielerlei Hinsicht. In einem schlichten Appartement in einem Gästehaus des Vatikans wohnte Papst Franziskus und trat ein für eine „arme Kirche für die Armen“. Nicht nur einmal formulierte er es selbst so an unterschiedlichen Orten und bei verschiedenen Gelegenheiten. In seinem ersten apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“, das im November 2013 erschien, schrieb Franziskus: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee.“ Und jetzt?
„Um wirklich zu leben, kann man nicht sitzen bleiben. Leben heißt immer: sich in Bewegung setzen, auf den Weg machen, träumen, planen, offen für die Zukunft sein.“
Nicht nur im Elisabeth-Gymnasium erleben wir im schulischen Kontext die Wirklichkeit. Leben, wie es ist. Im Miteinander von Lehrenden und Lernenden, Jüngeren und Älteren kommt manches in Bewegung. Anderes gerät ins Stocken. Kommt, aus welchen Gründen auch immer, nicht weiter. Bleibt unvollendet. Unvollkommen. Bruchstückhaft. Ist mit Fehlern behaftet. Mit der Kirche und denen, die für sie stehen, ist es ebenso. Wesentlich ist, sich damit nicht abzufinden. Sondern sich immer neu und immer wieder auf den Weg zu machen. Zu planen, was ich wann, wie und mit wem wo erreichen kann. Wenn jede und jeder ihre oder seine Talente und Fähigkeiten einsetzt, kann etwas werden. Besser. Schöner. Ansprechender. Dabei darf ich träumen von einer Zukunft, für die ich offen sein kann. Wie auch immer sie aussieht.
„Um wirklich zu leben, kann man nicht sitzen bleiben. Leben heißt immer: sich in Bewegung setzen, auf den Weg machen, träumen, planen, offen für die Zukunft sein.“
Auf die Frage, was sie in ihrer Freizeit tun, erhalte ich manchmal als Resonanz von Schülerinnen und Schülern ein einziges Wort: „Zocken!“ Stundenlang sitzen sie vor ihrem Computer und spielen was auch immer mit Freunden und Fremden. Es gab Zeiten, in denen Menschen noch miteinander geredet haben. Live. Von Angesicht zu Angesicht. Analog und nicht digital. Dabei blieben sie nicht sitzen. Dort, wo sie gerade waren. Sie machten sich auf den Weg zueinander. Nicht online. Sondern Schritt zu Schritt zu denen, mit denen sie Kontakt haben wollten.
Papst Franziskus begab sich im Lauf seiner Amtszeit vielfach zu den Menschen. Nicht nur im Flugzeug oder im Auto. Sondern mit der U-Bahn oder sogar zu Fuß. Auch und gerade zu den Bedrängten, Armen, Abgeschriebenen oder Abgeschobenen ging er. Ob das zu Beginn seiner Amtszeit eine Reise auf die italienische Insel Lampedusa war, wo er bei der Feier einer Messe die „Gleichgültigkeit der Welt“ angesichts der Todes hunderter Flüchtlinge im Mittelmeer beim Namen nannte. Oder 2018 im Januar. Bei einem Besuch in Chile bat er Opfer von sexuellem Missbrauch durch Priester um Verzeihung. 2021 besuchte Papst Franziskus als erstes Oberhaupt der Katholiken den Irak. Dort betete er in Mossul für Kriegsopfer. Noch im September 2024 reiste er in vier asiatische Länder, ging in eine Moschee in Indonesien und in Papua-Neuguinea in ein Dorf im Dschungel. Immer wieder rief der dabei dazu auf, „Arme und Ausgegrenzte“ nicht zu vergessen.
„Was ihr dem Geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (vgl. in der Bibel Mt. 25, 40). Das darf ich beziehen auf Jesus Christus. Arme in mancherlei Hinsicht und Ausgegrenzte begegnen uns nicht nur in der Schule. Das kann ich, wenn überhaupt, zur Kenntnis nehmen. Mich damit abfinden. Oder wegschauen. Geht mich ja nichts an. Können doch andere was tun. Ich muss nichts machen. Es stimmt – ich muss es nicht. Aber ich kann mich auch den Benachteiligten so zuwenden, wie Papst Franziskus es vielfach getan hat: Ihnen als Mensch auf Augenhöhe zu begegnen versuchen. Sie nicht zu be- oder zu verurteilen, wofür auch immer. Mich darum bemühen, in ihnen jenes Abbild Gottes zu sehen, als das ich selbst ebenfalls wahrgenommen und wertgeschätzt werden möchte. Nicht nur am Elisabeth-Gymnasium.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger