„Die Zukunft will, dass du sie machst.“
Ein großformatiges Webeplakat fiel mir auf. Offensichtlich geht es hier um das, was noch kommt: Um die Zukunft. In wenigen Monaten haben sie ihre Schulabschlüsse in der Tasche – die Lernenden in den Abschlussklassen jener weiterführenden Bildungsstätten, in denen ich arbeite. Der Weg bis dorthin ist kürzer als manche meinen. Der Aufwand, dabei ein passables, ein gutes oder sogar ein sehr gutes Ergebnis zu erzielen, ist von Schüler zu Schüler unterschiedlich. So unterschiedlich wie jene, um deren Zukunft es geht. Was tun sie dafür? Wofür setzen sie sich ein? Was ist ihnen wichtig?
Ich kann nicht alles vorausberechnen, umfassend planen oder ergebnissicher angehen. Neben Wissen und Können bedarf es auch eines Quäntchens Glück: Das Richtige vorbereitet zu haben für die anstehenden schriftlichen und mündlichen Prüfungen. Die Hände in den Schoß zu legen, Gott einen guten Mann oder eine gute Frau sein zu lassen und nichts zu machen, ist nicht zielführend. Und jetzt?
„Die Zukunft will, dass du sie machst.“
Macherinnen und Macher sind gefragt. Nicht nur beim Handwerk, das hinter jener Plakatkampagne steckt. Menschen, die wissen, was sie wollen, sind vonnöten. Die nicht nur reden oder was auch immer versprechen. Sondern handeln. Ob das der springende Punkt ist? Nicht nur am Elisabeth-Gymnasium oder in der St. Mauritius-Sekundarschule. Wer wie schnell wann bei welcher Gelegenheit „zu Potte kommt“, ist so unterschiedlich wie jene jungen Frauen und Männer, die, wie alle anderen auch, ihre Zukunft vor sich haben. „Machen“ sie sie auch, diese, ihre Zukunft? Oder etwa doch nicht? Die eine oder der andere resigniert heute schon. Das hat unterschiedliche Ursachen und Gründe. Manche haben Angst vor dem Morgen. Davor, den in sie gesetzten Anforderungen oder Erwartungen nicht entsprechen zu können. Sie fragen sich, ob Aufwand und Ertrag in einem für sie oder ihn passenden Verhältnis stehen. Sie wissen nicht, ob ihre oder seine Talente gefragt sind. Dort, wo sie sind. Oder ob sie für jene, die sie als Meister, Anleitende oder Dozenten ausbilden, fördern und fordern, tatsächlich von Interesse sind. Das macht unsicher. „Deine Zukunft ist, wozu du sie machen willst. Zukunft heißt wollen.“ Dem tibetischen Dalai Lama, Tenzin Gyatso, werden diese Sätze zugeschrieben. Ihnen stelle ich ein Zitat aus dem Buch der Propheten Jesaja, aus dem Alten Testament in der Bibel, zur Seite: „Fürchte dich nicht, denn ich bin dein Gott, hab keine Angst, denn ich habe dich stark gemacht!“ (vgl. Jes. 41, 10). Jesaja war es, der der Überlieferung nach eine Wende vom Unheil zum Heil ins Aussicht stellte. Einen dauerhaften Frieden und Gerechtigkeit nach all den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit. Einen zukünftigen Retter und Heiland verhieß Jesaja denen, die darauf hofften. Was damals wichtig war, hat an Aktualität nichts verloren. Denn meine Zukunft kann ich in Kombination mit meinen Begabungen und der Zusage meines Schöpfers „Fürchte dich nicht, … denn ich habe dich stark gemacht“ angehen. Machen. Das trifft für Menschen jeglichen Alters zu. Wollen müssen sie das selbst. Ihre Zukunft. Sie selbst können sie machen.
„Die Zukunft will, dass du sie machst.“
Nicht jede kann alles. Aber keiner kann nichts. Niemand ist immer und überall perfekt. Weder in der Schule noch außerhalb. Aber hilflos bin ich nicht. Mittellos oder ohne Talente ebenfalls nicht. Ich darf mir mehr zutrauen als manche meinen. Sogar aus Fehlern kann ich lernen. Mein Wissen und meine Fähigkeiten sind erweiterbar und können ergänzt werden. Ich darf mir Unterstützung und Hilfe holen, um an die gesetzten Ziele zu kommen. Ich muss nicht allein bleiben. Gemeinsam mit anderen geht manches leichter. Wenn Lernende sich gegenseitig motivieren, einander unterstützen und gemeinsam nach tragfähigen Lösungen suchen. Vier Augen sehen mehr als zwei und zwei Gehirne können mehr denken als eins allein.
„Die Zukunft will, dass du sie machst.“
Es ist nicht alles schlecht. Obwohl sich Tag für Tag überall auf der Welt so vieles verändert. Was bisher fester Grund war, trägt heute nicht mehr. Führt nicht mehr zum gewünschten Ergebnis. Früher war nicht alles besser. Manches war anders. Es bedeutet nicht, dass inzwischen aller Tage Abend ist. Auch nicht, das eine lebenswerte Zukunft für mich nicht mehr möglich ist. Denn die Zukunft will, dass ich sie mache. Nicht die anderen. Ich. Darauf kommt es an: Nicht nur anderen zu zeigen, was ich wirklich „drauf“ habe. Nicht nur mir selbst deutlich zu machen, was ich tatsächlich kann. Wenn und weil ich es will. Wenn und weil ich nicht nur rede. Sondern sie mache. Meine Zukunft. Nicht irgendwann, weil ich auf den passenden Moment warte. Sondern jetzt.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger