„Tröstet, tröstet mein Volk. … Seht, da ist euer Gott!“
Was der Prophet Jesaja um 720 v. Christus so schrieb, gerade in unserer oft so unruhigen Zeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Viele Menschen sehnen sich nach dem, was in der Bibel bei der Geburt Jesu beim Namen genannt wird: „Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.“ (vgl. Lk. 2, 14) Oder ist es inzwischen so, wie es im Buch der Psalmen steht: „Hat Gott vergessen, dass er gnädig ist? Oder hat er im Zorn sein Erbarmen verschlossen?“ (Ps. 77, 10). Grund dazu könnte er ja haben …
„Tröstet, tröstet mein Volk. … Seht, da ist euer Gott!“
So manches macht Menschen ohnmächtig. Kinder, Jugendliche und Erwachsene in unterschiedlicher Ausprägung. Hilflos, sprachlos. Zerstörte Natur, Krieg in der Ukraine, Terror in Israel und anderswo. Gibt es „heile Welt“ nur noch in meiner Fantasie? Wenn die Stimmung trotz mancher Lichter im Advent und an Weihnachten immer düsterer zu werden scheint. Menschen jeglichen Alters sehnen sich nach Hilfe. Nach dem, was sie wirklich tröstet. Oder nach Ablenkung, wie auch immer sie sich gestaltet, um für einige Zeit die Wirklichkeit vergessen zu können. Billiger Trost unterstützt nicht. Trostpflaster helfen nicht. Den Trostpreis, weil ich nicht immer zu den Gewinnern gehören kann, brauche ich ebenfalls nicht. Und jetzt?
„Tröstet, tröstet mein Volk. … Seht, da ist euer Gott!“
Echten Trost kann ich mir nicht kaufen. Aber ich darf und kann ihn mir schenken lassen. Von Menschen, die es gut meinen mit mir. Von Gott, der mich weder vergessen noch abgeschrieben hat. Ohne Einfühlungsvermögen und ohne Nähe zu meinem Gegenüber zusammen mit einer gesunden Distanz, um nicht aufdringlich zu sein, geht nicht viel. „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“ Franz Kamphaus, der frühere Bischof von Limburg, veröffentlichte vor zehn Jahren sein gleichnamiges Buch. Sind seither die Menschen menschlicher geworden?
„Tröstet, tröstet mein Volk. … Seht, da ist euer Gott!“
Manche gestalten sich ihren Gott selbst. Aus welchen Beweggründen auch immer. Der einst strafende Richter ist einem barmherzigen Gott gewichen, der stets für alle Menschlichkeiten Verständnis hat. Doch der, der Herr ist über Licht und Dunkel, ist nicht harmlos. Kein leicht seniler, gütig lächelnder alter Mann, der auf seiner Wolke sitzt. Der von dort huldvoll herabblickt auf die, die auf der Erde leben. Auch kein „holder Knabe im lockigen Haar“, der „in himmlischer Ruh“ in der Krippe schlummert, ist er. Am 24. Dezember 1818 wurde das von Vikar Joseph Mohr getextete und von Franz Xaver Gruber vertonte Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ erstmals in der Kirche St. Nikola in Oberndorf bei Salzburg gesungen, aus dem die Zitate im vorherigen Satz stammen. Wo findet er sich für mich, mein Gott? Nicht nur in der Weihnacht? Sondern dann, wenn es bei mir darauf ankommt?
„Tröstet, tröstet mein Volk. … Seht, da ist euer Gott!“
Nicht nur Erste Hilfe ist notwendend im wahrsten Sinn des Wortes. Mich tröstet, wenn und dass ich nicht alleingelassen bin. Sondern, wenn mir geholfen wird. Wie verhält sich das an Weihnachten 2023? Wie „Alle Jahre wieder“? Oder anders, weil sich in letzter Zeit sogar im „Heiligen Land“, in Israel, die Lage verändert hat?
Es ist rasch gesagt: Ich brauche nicht aufzugeben. Ich muss nicht den Kopf im übertragenen Sinn in den Sand stecken. Aber es ist so: Nicht alles ist immer und überall schlecht. Ich darf Trost von anderen erfahren. Manchmal sogar dann, wenn ich am wenigsten damit rechne. Im Schulalltag und außerhalb. Selbst habe auch ich ebenfalls die Möglichkeit, mein Gegenüber zu trösten. Ihr oder ihm kleine Lichter in der Dunkelheit aufzeigen: Durch ein gutes Wort. Durch meine helfende Tat. Dadurch, dass ich mir Zeit nehme, zuzuhören und mich voll und ganz einlasse auf die, denen ich begegne. Möchte ich nicht auch, dass andere mich verstehen und so annehmen, wie ich bin? Nicht erst an Weihnachten.
Das braucht Kraft, Geduld und Mut zum ersten Schritt. Das Wunder der Weihnacht wird auch Ende 2023 noch und wieder spürbar und erfahrbar: Gott nahm sich der Menschen an, indem er ihnen sein Liebstes sandte: Seinen einzigen Sohn. Nicht als Superman, der alles kann. Sondern als kleines, hilfloses Baby. Das hat es in sich. Weil seine unbegreiflich-unfassbare Liebe stärker ist als all das, was Menschen einander antun.
Nicht nur an Weihnachten. Das kleine Kind in der Krippe tröstet. Es verändert die Welt. Mich auch? Denn auch ich kann das schaffen, wenn ich es möchte:
„Mach’s wie Gott: Werde Mensch!“
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger