3. November 2023

Herbst. Die Welt um uns sieht anders aus. Veränderungen.

Im Frühjahr sahen sie ganz anders aus, diese Blätter, die nun auf dem Boden liegen. Grün waren sie. Voller Leben. Nicht nur sie haben sich verändert in der letzten Zeit. Was einmal wenigstens halbwegs sicher schien, ist mittlerweile anders geworden. Und jetzt?

Titelbild für Beitrag: Herbst. Die Welt um uns sieht anders aus. Veränderungen.

Die Blätter fallen, fallen wie von weit.

Als welkten in den Himmeln ferne Gärten.

Sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: Es ist in allen.

Und doch ist einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

 

Ob der österreichische Dichter und Autor Rainer Maria Rilke (1875 – 1926), von dem die obenstehenden Zeilen mit dem Titel „Herbstgedicht“ stammen, eine religiöse Bindung hatte, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Interpretierbar ist auch, wen er damit meint, wenn er von jenem schreibt, der „dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Fakt ist, dass manche gesundheitliche Einschränkung Rilke im Laufe seines Lebens zu schaffen machte. Er starb im Alter von 51 Jahren an einer Krankheit, die in einer damals noch wenig bekannten Form als Leukämie diagnostiziert wurde, in einem Schweizer Sanatorium am Genfersee bei Montreux.

Wenn der Sommer vorüber ist, die Tage kürzer werden und die Nächte länger, wenn die Tages- und Nachttemperaturen abnehmen und welke Blätter von den Bäumen fallen, wird klar: Die Zeiten haben sich geändert.

Als am 7. Oktober 2023 von militanten palästinensischen Gruppen unter Führung der Hamas die ersten von vielen Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert wurden, wurde deutlich, dass nichts mehr so ist, wie es war. Was bedeutet das? Dass ich aus allen Wolken falle, weil mir nach und nach erst bewusst wird, was anders ist als zuvor?

Sind denn in dieser Region jene Tage vorbei, als es noch möglich war, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, Einstellung und Prägung miteinander wohnen konnten?

Dort, wo rohe Gewalt, Terror und Angst ein Miteinander oder auch nur ein Nebeneinander unmöglich machen, ist nicht nur guter Rat teuer. Die Frage nach dem, der „diese Welt fest in den Händen hält“ und der die Herzen der Menschen erreicht, die Frage nach Gott, stellt sich wahrscheinlich nicht nur mir. Kann oder darf ich in einer Zeit wie dieser noch auf das bauen, was Klaus-Helmut Heizmann 2005 so in Worte gefasst hat?

 

Der diese Welt fest in den Händen hält, sieht deine Not und weiß, was dir jetzt fehlt.
Er kennt den Schmerz, weiß, was geschehen ist, sorgt sich um dich, birgt dich in seiner Hand. Gott gibt dir Trost und trägt dich durch das Leiden, verleiht dir Kraft in dieser schweren Zeit.

Der diese Welt fest in den Händen hält, er kennt auch dich und weiß, was dich jetzt quält.
Auf diesem Weg bist du nicht ganz allein. Du wirst es sehn: Gott trägt dich Schritt für Schritt. Er gibt dir Schutz, ihm kannst du fest vertrauen. Sein starker Arm wird immer bei dir sein.

Der diese Welt fest in den Händen hält, holt uns einst heim in seine ferne Welt
und wird uns dann mit unsern Lieben einen, die diesen Weg vorangegangen sind.
Wir werden Gott mit neuen Liedern preisen. Kein Schmerz, kein Leid, kein Tod wird mehr sein. Amen.

 

Wer in Angst und Not lebt, mit Schmerzen, in ständiger Bedrohung um Leben und Existenz und sogar mit dem Tod Tag für Tag konfrontiert wird, für die oder den gewinnt ganz anderes an Priorität als zu anderen Zeiten davor.

Die Sehnsucht nach Frieden, nach Ruhe, nach einem guten Miteinander trotz aller Unterschiede, danach, So-sein-Dürfen, wie ich bin, steckt wohl in jedem Menschen.

Zu allen Zeiten gab und gibt es jene, die meinen, das Ihre oder das, was sie als richtig erkannt haben, mit Gewalt und allem Möglichen und Unmöglichen durchsetzen zu können.

Was in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 an vielen Orten im damaligen Deutschland geschehen ist und später als „Reichspogromnacht“ bezeichnet wurde, ist 2023 85 Jahre her.  Organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen bestimmte Gruppen widersprechen nicht nur den Menschenrechten, sondern jeglichem Menschenverstand. Damals wie heute gab und gibt es unterschiedliche Ansichten, Vorstellungen und Einstellungen zu dem, was Menschen über Grenzen hinweg verbinden kann. Nicht jeder Zweck heiligt jedes Mittel. Ganz und gar nicht!

Aber ist denn das, was in der Bibel in der Offenbarung des Johannes bei Offb. 21, 4 zu finden ist, wirklich nur eine Vertröstung auf das, was einmal sein wird?

 

„Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.

 

Jahreszeiten vergehen. Was bleibt? Mögen sich der echte Wille nach Frieden und das stetige Streben nach Verbindendem trotz mancher Unterschiedlichkeiten durchsetzen gegen blinden Hass, Kurzsichtigkeit und Menschenverachtung wem gegenüber auch immer.

 

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger