Dass Kleider Leute machen, ist hinreichend bekannt.
Dass Menschen mit dem richtigen Outfit groß rauskommen können, spricht für sich.
Unerwartet habe ich ihn an einem Nachmittag im Hof des Elisabeth-Gymnasiums getroffen, unseren Konrektor Thomas Dölle. In seiner Imkerschutzkleidung widmete er sich nach Unterrichtsschluss denen, die noch fleißiger sind als jene, die an unserer Schule lehren und lernen: Den beiden Bienenvölkern, die es seit zwei Jahren auf eine Schülerinitiative hin hier auf dem Gelände des ELG gibt, nicht nur aus ökologischen Gründen.
Ähnlich wie in einer Bildungsanstalt, sind auch bei den Honiglieferanten die Rollen klar verteilt. Viele, viele unermüdlich tätige Arbeitende sorgen dafür, dass der Laden läuft. Dass es nicht zu heiß oder zu kalt wird. Dass ausreichend Nahrung vorhanden ist und dass sich der Nachwuchs gut entwickelt.
Letzteres ist auch am Elisabeth-Gymnasium das, was im Mittelpunkt des Bemühens steht: Nach und nach sollen jene, die die Schule ausmachen, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen erweitern. So ist es möglich, dass aus Lernenden (und Lehrenden) Menschen werden, die sich über ihre Talente freuen und sie zu ihrem Wohl und dem anderer einsetzen können und wollen. Wie in einem Bienenstock, wo das Miteinander über allem steht. Das „Darum herum“ muss dabei stimmen und ein gutes Klima herrschen. Auch am und im Elisabeth-Gymnasium.
Wie überall, so kochen wir hier ebenfalls mit Wasser. Wir sind nicht in allem über allem und bleiben lernfähig: Kleine, mittlere und große Schüler und Lehrer. Ohne Begeisterungsfähigkeit, Einsatz und Engagement und ohne gemeinsame Ziele ähnlich in einem Bienenstock, bliebe Vieles nur Theorie. Mit der Wirklichkeit hätte es nichts zu tun. Auch, wenn und weil nicht immer und überall alles und jedes optimal läuft und passt. Das entbindet keinen davon, sich nicht jeden Tag wieder neu dafür einzusetzen. Es zumindest zu versuchen. Allein oder mit Unterstützung. Auf jede und jeden einzelnen kommt es dabei an. Wie in einem Bienenstock.
Dass Kleider Leute machen, ist hinreichend bekannt.
Dass Menschen mit dem richtigen Outfit groß rauskommen können, spricht für sich.
Sicherlich geben Äußerlichkeiten wie das, was jemand anhat, wenig bis nichts von der eigentlichen Persönlichkeit wieder. Ich kann mich verkleiden und hinter dem verstecken, was ich nicht zeigen oder nicht preisgeben möchte. Nach außen ganz anders sein, als ich es eigentlich bin. Doch kann ich auch „meinen Style“ suchen, finden und deutlich machen. Passend für mich muss er nur sein. Ausdruck dessen, was mir wichtig ist.
Schutz- oder Funktionskleidung gibt es nicht nur beim Sport. Neben der Tatsache, dass sie mich wärmen, kühlen, entlasten oder vor möglichem Unheil bewahren soll, ist sie Dekoration und Kommunikationsmittel in einem. Eine Uniform zum Beispiel verhindert Individualität im weitesten Sinn. Wenn alle „gleich“ aussehen und sich durch wenige Kleinigkeiten voneinander unterscheiden. Ich kann und brauche nicht jedem Trend zu folgen.
Den meisten Menschen ist es wichtig, dass sie sich wohlfühlen. Auch bei dem, was sie tragen. Ob angesagte Markenklamotten zu bloßen Statussymbolen degenerieren und jene ausschließen, die sie sich nicht leisten wollen oder in sie investieren können, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Der „Coolness“-Faktor ist unabhängig vom Corporate Design eines bestimmten Produkts. Da zählen andere Maßstäbe: Freundlichkeit, Höflichkeit, Ehrlichkeit, Authentizität und Offenheit zum Beispiel und viele andere mehr.
Dass Kleider Leute machen, ist hinreichend bekannt.
Dass Menschen mit dem richtigen Outfit groß rauskommen können, spricht für sich.
Entscheidende Unterschiede zu einem Bienenvolk gibt es am ELG. Eine Königin, die von allen umsorgt wird und für den Nachwuchs zuständig ist, existiert nicht. Aber wer mit offenen Augen durch das Schulgebäude geht, wird Vieles wahrnehmen können: Glückliche und weniger frohe Menschen. Entspannte und Gestresste, Aufgeregte und eher Ruhige. Vielleicht wuselt es in den Pausen auf den Gängen und Höfen wie in einem Bienenstock. Die Lautstärke ist nicht nur in den Klassenräumen anders als in einem Schweigekloster.
Aber Lebendigkeit und Zielstrebigkeit sind nicht nur für ein Bienenvolk erstrebenswert und überlebensnotwendig. In einer Bildungsanstalt sind sie nicht zu unterschätzen. Wenn es nicht um die Masse gehen soll, sondern um jede und jeden einzelnen. Darum, aufmerksam zu sein und offene Augen füreinander zu haben - sogar im Schulalltag. Nicht auf Äußerlichkeiten wie die Kleidung zu schauen, sondern den jeweiligen Menschen dahinter zu suchen und zu finden. Täglich neu wahrzunehmen, was die momentan bewegt und gerade beschäftigt, denen ich begegne. Nicht wegzusehen, wenn andere Unterstützung brauchen. Nicht nur sich allein im Blick zu haben. Nach Gemeinsamem und Verbindendem zu streben. Auch, wenn das manchmal leichter gesagt als getan ist, weil auch im Elisabeth-Gymnasium Menschen nicht nur von ihrer Kleidung, von ihrer Aufgabe oder von ihrem Alter her oft so unterschiedlich sind.
Wenn ich dazu beitrage, das Folgende umzusetzen, ist viel gewonnen und bleibt Schule lebendig und ansprechend. Die Pastoralkonstitution „Lumen Gentium“ des II. Vatikanischen Konzils hat es vor nun schon fast sechzig Jahren so formuliert: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihrem Herzen seinen Widerhall fände.“ (Vgl. Lumen Gentium, 1, 1). Das kann auch im ELG umgesetzt werden - von Glaubenden, Suchenden und Zweifelnden.
Wenn das klappt, machen nicht Kleider oder des „richtige“ Outfit Leute. Sondern es kommen jene groß raus, die sich Tag für Tag im Elisabeth-Gymnasium begegnen, miteinander lernen und gemeinsam lehren. Nicht nur in den beiden Bienenstöcken, sondern auf den Gängen, in den Höfen und in den Klassenzimmern.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger