Foto: Arlett Tschöp
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Passte jenes Zitat des Apostels Paulus aus dem zweiten Brief an seinen Schüler Timotheus (2 Tim. 1, 7)? Zu denen, die ihr erstes Schuljahr in den 5. Klassen des Elisabeth-Gymnasiums begonnen haben? Die sich in der vergangenen Woche in einem Gottesdienst vorgestellt hatten? Denen durch gute Worte Segen und Mut zugesprochen wurden?
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Anzufangen dort, wo für mich so vieles ungewohnt und neu ist, ist nicht leicht. Zwar unterstützen ihre Klassenlehrer, die Patinnen und Paten aus den höheren Klassen des Elisabeth-Gymnasiums und Eltern und Geschwister. Sie können Richtungen und Wege aufzeigen. Aufkleber auf dem Boden helfen, den Klassenraum zu finden. Aber: Gehen, Laufen, Neues lernen und Fragen stellen muss ich selbst. Das gelingt mal mehr, mal weniger. Wer in der Grundschule in der 4. Klasse als „groß“ gegolten hat verglichen mit denen, die in den ersten bis dritten Klassen lernen, fängt im Gymnasium wieder klein an.
In ihrer selbst verfassten „Geschichte vom einsamen Fuchs“ zeigte Frau Tschöp auf, dass Freundschaft möglich ist zwischen denen, die einander noch nicht kennen. Fuchs, Robbe, Schildkröte und Pinguin begegnen einander. Sie sind offen für ihre Unterschiedlichkeit. Sie suchen und finden Gemeinsames, das sie über Grenzen hinweg verbinden kann. In einer 5. Klasse, in der sich 28 Kinder begegnen und gemeinsam lernen, ist es ähnlich.
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Wenn mir der Mut fehlt und ich die Sorge habe, den an mich gestellten Anforderungen nicht gerecht werden zu können, ist es nicht nur in der Schule schwer. Niemand kann immer alles zu jeder Zeit. Eine Schildkröte kann nicht fliegen, ein Pinguin nicht rennen, ein Fuchs nicht tauchen und eine Robbe nicht sprechen. Doch lebt eine Schildkröte in der Regel länger als viele andere Tiere. Ein Pinguin kann tief tauchen. Einem Fuchs wird eine gewisse Intelligenz zugetraut. Eine Robbe kann großartig schwimmen. Die Kraft, die ich bekommen habe, zielgerichtet einzusetzen, ist eine lebenslange Aufgabe, die ich angehen darf. Ohne die Angst haben zu müssen, dass ich es beim ersten Versuch nicht schaffe. Über das, was ich kann, darf ich mich freuen. Darüber, dass ich Fähigkeiten habe, mein Können und mein Wissen stetig zu erweitern. Das geht leichter, wenn ich es mit Liebe zu mir und anderen mache. Nicht, weil andere es von mir erwarten. Sondern, weil ich es tatsächlich möchte. Nicht aus blindem Aktionismus, damit sich etwas tut. Sondern überlegt, geplant und mit der erforderlichen Gelassenheit. Nicht vorschnell oder gar unüberlegt. Sondern nach und nach. Schritt für Schritt. Angefangen haben wir alle einmal. Nicht nur am Elisabeth-Gymnasium.
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Ich kann behaupten, dass ich Vieles aus mit selbst habe. Doch kann ich auch sagen, dass ich meine Fähigkeiten und Talente zusammen mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten von meinem Schöpfer geschenkt bekommen habe. Gott ist es, der mir mein Leben gegeben hat, ich bin kein Zufall. Daraus darf ich etwas machen - auch im Elisabeth-Gymnasium. Dazu bedarf es verschiedener Grundlagen: (Wage-)Mut und nicht Verzagtheit. Die Kraft, anzufangen und am Ball zu bleiben, um ans Ziel kommen zu können aus eigener Stärke und durch die Unterstützung anderer. Die Liebe zu mir, zu anderen, zu dem, was ich Tag für Tag mache, ist hilfreich für meine Vorhaben in der Schule und außerhalb. Mich bei all meinem Tun nicht unter Druck setzen zu lassen. Nicht ausschließlich mich von meinen Emotionen leiten zu lassen. Das ist oft nur ein Wunsch, wenn es darum geht, überlegt und geplant zu handeln. Auch meine Wirklichkeit und mein Alltag sind manchmal so ganz anders ist als ich es mir ersehne. Umso wichtiger scheint mir - auch schon für die Schülerinnen und Schüler aus den 5. Klassen -, mich nicht einzig und allein von meinen Gefühlen und Stimmungen bestimmen zu lassen: Nicht gleich beim ersten Widerstand aufzugeben. Berechtigte, gut gemeinte Kritik nicht sofort abzuschmettern. Mich zu freuen über das, was ich schon geschafft habe und dafür dankbar zu sein. Das nicht aus den Augen zu verlieren, was ich noch vor mir habe. Wenig ist nicht nichts: Lieber ein kleines Ziel erreichen als ein großes in unendlicher Ferne zu sehen, bei der ich nicht dahin komme, wo ich hin will.
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
„Segnungsgottesdienst“. Was bedeutet das? Ob jemand konfessionell gebunden ist und/ oder an Gott glaubt: Über ehrlich gemeinte, motivierende, gute (Segens-)Worte freuen sich die meisten. Sie machen mir Mut, nicht aufzugeben, sondern etwas zu wagen. Immer wieder zu versuchen, was ich bisher noch nicht fertiggebracht habe. Mir nicht einreden zu lassen „Das schaffst du doch eh nicht!“
Von ihren Klassenlehrern, von Frau Tschöp und von mir bekamen die Schülerinnen und Schüler in dieser Andacht jeweils klassenweise persönliche, unterschiedliche Segensworte zugesprochen. Individuell und einzigartig waren diese Wünsche der Genannten an die Lernenden aus den Klassen 5a, 5b, 5c und 5d.
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Ich kann nur an mich denken – und andere übersehen oder vergessen. Oder ich schaue hinaus über meinen Tellerrand: Nehme jene in Blick, die nicht immer im Fokus stehen. Seit Jahren unterstützen wir seitens des Elisabeth-Gymnasiums Mwana Wange, einen Verein zur Förderung von Schulkindern in Uganda. Im Besonderen die St. Immaculate Primary School in Ntuusi in Ostafrika. Mehr als 600 € kamen bei der Kollekte des Segnungsgottesdienstes für die Schülerinnen und Schüler der 5. Klassen zusammen. Das lässt nicht verzagen. Es schenkt Kraft, macht Liebe deutlich und ermöglicht auch bei schwierigen Gegebenheiten Hilfe zur Selbsthilfe. Auch eine Spende kann ein Segen sein.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger