12. Juni 2023

Mach doch mal langsam!

Zweifelsohne ist ein Gepard schneller im Rennen im wahrsten Sinn des Wortes als eine Weinbergschnecke. Aber Geschwindigkeit ist nicht immer das, was mich gut ans Ziel bringt. Manchmal ist anderes hilfreicher und passender.

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Nicht nur dynamischen Schülerinnen und Schülern, die mit höheren Geschwindigkeiten durch die weitläufigen Schulgänge treppauf oder treppab rennen, sage ich das manchmal. Meistens schauen sie mich mit großen Augen an. Meinen, dass sie gerade „zu spät“, „voll im Stress“ oder „aufgehalten worden“ seien. Und laufen schnell weiter. Ob es Erwachsenen anders geht als ihnen?

 

„Mach doch mal langsam!“

Mich ärgert, wenn etwas nicht vorangeht oder nicht vorankommt. Warten, Anstehen müssen - in Geschäften oder im Stau auf der Straße – ist nichts für mich. Andere sehen das „ganz cool“. Deshalb, weil sie es „gerade eh nicht ändern“ können. Recht haben sie! Gelassenheit ist besser als sich aufzuhalten oder sich aufzuregen. Nicht nur im Elisabeth-Gymnasium. Aber trödeln, Löcher in die Luft starren oder Zeit sinnlos verschwenden, bringt mich an Grenzen. Die, mit denen ich zusammenkomme, ebenfalls. Obwohl ich es auch von mir kenne. Manches ist zäh wie ein sehniges Steak, das mir nicht schmeckt. Die Minuten dehnen sich und die Zeit will einfach nicht vergehen.

 

„Mach doch mal langsam!“

Vor Raum 215 im ELG, den ich mit unserer Beratungslehrerin Frau Grave teile, stehen ein paar Tische und mehrere Stühle. Dort sitzen Schülerinnen und Schüler aus den verschiedensten Klassenstufen. Manche arbeiten projektbezogen an dem, was sie zu erledigen haben. Andere spielen Karten oder am Handy in den Pausen oder in den Stunden, die ausfallen. Sie reden in unterschiedlicher Lautstärke über Gott und die Welt. Über das, was sie gerade beschäftigt – schulisch und außerhalb des Elisabeth-Gymnasiums. Freud und Leid kommen ebenso zur Sprache wie das, was den Schulalltag ausmacht. Einiges davon bekomme ich eher zufällig mit, wenn meine Zimmertür offensteht. Für die, die mit mir über etwas sprechen möchten. Wenn sie im Raum sind, schließen wir aus Diskretionsgründen die Tür. Im Trubel mal langsam zu machen, tut gut. Mir etwas von der Seele reden zu können, befreit. Mir meinen nächsten Schritt in die passende Richtung in Absprache mit anderen zu überlegen oder mich selbst dazu zu entscheiden, kann hilfreich sein.

 

„Mach doch mal langsam!“

Es ist für mich ebenfalls eine Versuchung, immer mehr in weniger Zeit schaffen zu wollen. Multitaskingfähig sollte ich sein – Mehreres gleichzeitig unterschiedlich schnell schaffen können. Oft geht es dabei nicht darum, was wie gemacht wird. Sondern darum, dass es erledigt wird. Zweitrangig ist, wie ich zum ersehnten Ziel komme. Aufgaben sind zu lösen, damit der Laden läuft und nicht stillsteht. Auch am und im Elisabeth-Gymnasium. Für „langsam Machen“ fehlt oft die Zeit. Nicht nur beim Essen in der Schulmensa.

 

„Mach doch mal langsam!“

Es gibt sie: Menschen, die nur unter (Zeit-)Druck zu einem passablen Ergebnis kommen. Die bis „zum letzten Drücker“ warten, ehe sie endlich beginnen. Wenn sie sich ihre Zeit einteilen und Prioritäten setzen würden, wenn sie Wichtiges von weniger Wesentlichem unterscheiden könnten und sich nicht verzetteln würden, wäre manches einfacher. Für sie selbst und für die anderen. „Erst überlegen, dann handeln!“ Das oder Ähnliches will ich ihnen zurufen. Wenn mir für ordentliches Arbeiten die Zeit fehlt, bleiben Fehler unterschiedlichster Art nicht aus. Falls ich nicht mehr dazukomme, etwas umfassend zu bearbeiten und aus verschiedenen Blickwinkeln und unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, brauche ich mich nicht zu wundern, dass und wenn mir die Zeit knapp wird. Ob weniger manchmal mehr ist?

 

„Mach doch mal langsam!“

Rom ist bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut worden. Eine Schöpfungsgeschichte in der Bibel im Buch Genesis (vgl. Gen 1, 1 – 31) berichtet von sechs Tagen, die es gedauert habe, bis Gott die Welt schuf mit all dem, was sie ausmacht. „Gott sah, dass es gut war,“ steht am Abend eines jeden Tages. Zu Beginn des 2. Kapitels heißt es: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag.“ (Gen 2, 2) Manches nicht nur im schulischen Kontext braucht gute Vorbereitung, ausreichend Zeit, hinreichend Geduld und Ausdauer, wenn es wirklich etwas werden soll. „Mach doch mal langsam!“ hat nichts mit Faulheit zu tun. Oder damit, dass und wenn jemand nicht zum Ziel kommt. Der Weg kann zum Ziel werden, wenn ich nicht in blinde Hast verfalle und all das übersehe, was mir unterwegs begegnet. Auch in der Schule, im Elisabeth-Gymnasium.

 

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger