Ich habe keinen digitalen Sprachassistenten zuhause, der meine Musik abspielt, wenn ich ihm dazu die richtigen Anweisungen gebe. Als mein Auto erstmals mit mir sprach und eine bislang unbekannte Stimme aus den Lautsprecherboxen kam, überraschte mich das, weil ich damit nicht gerechnet hatte.
Ansagen von Navis kenne ich seit längerem. Dafür bin ich dankbar, weil ich damit besser ans Ziel komme. Früher musste ich auf Landkarten nach der passenden Route suchen. Jetzt sorgen Sprach- oder Gestensteuerung dafür, dass ich da hinkomme, wo ich hinmöchte. Voraussetzung ist, dass ich online bin, mein Auto kapiert, was ich meine und mir nicht antwortet mit „Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden!“ In einem solchen Fall brauche ich dann doch den Touchscreen des Navis, um Buchstabe für Buchstabe einzutippen. Das dauert. Das nervt. Geht das nicht besser?
Käuflich zu erwerben ist mittlerweile eine Fülle neuer smarter Gadgets, die cool, witzig oder – in den Augen mancher - schlicht genial sind. Bisher nicht gekannte Funktionalitäten und Designs verlocken zum Kauf. Dass ich so lange ohne sie überleben konnte, wundert nicht nur mich. Sie können mein Leben und mir meinen Alltag bereichern. Mir meine Arbeit erleichtern oder sie mir sogar abnehmen. Großartig!
Manche Utopien sind inzwischen Alltag und nichts Besonderes mehr. Ein handelsübliches Smartphone bietet Chancen, die noch vor gar nicht langer Zeit unmöglich erschienen. Was in einem vernetzten Smart Home mit passender Haushaltstechnik und den richtigen Haushaltsgeräten inzwischen alles möglich ist, wenn es funktioniert, konnten sich unsere Eltern vielfach nicht vorstellen. Wearables wie Fitnesstracker oder Smartwatches sind für eine Reihe von Menschen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, die sie nicht mehr missen möchten.
Schön! Oder vielleicht doch nicht?
„Schöne neue Welt.“ Aldous Leonard Huxley, von dem der gleichnamige Roman stammt, hat 1932 skizziert, wie eine Welt im Jahr 2540 sein könnte: In einem einzigen Staat können alle immer und überall reglementiert und kontrolliert werden. Schön? Eher nicht.
Ist „künstliche Intelligenz wirklich besser als natürliche Dummheit“, wie der Informatikprofessor und DFKI Initiator Wolfgang Wahlster bereits 2018 gesagt hat? Kann auf Basis von Computertechnik menschenartige Intelligenz ermöglicht oder diese sogar übertroffen werden? Wenn menschliche Emotionen oder mein Gewissen dabei keine Rolle mehr spielen, bleiben Antworten auf zentrale Fragen in diesem Zusammenhang offen. Eine „digitale Ethik“ ist oft mehr Wunsch als Wirklichkeit.
Ist alles erlaubt, was heute machbar ist und sich gut verkaufen lässt? „Als Christen sind wir aufgefordert, unsere Botschaft immer wieder neu und auf zeitgemäße Weise zu erzählen.“ Worte des Pressesprechers des Bistums Essen, Ulrich Lota. Daher wurde das Geschehen von Palmsonntag, an den Kartagen und Ostern in zwei social media Kanälen mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) bebildert: https://www.bistum-essen.de/pressemenue/artikel/bistum-essen-laesst-die-ostergeschichte-von-kuenstlicher-intelligenz-bebildern
Wer setzt wann welche Grenzen und weswegen?
Konkret: Welche Entscheidungen übernehmen Maschinen unter welchen Voraussetzungen? Wer belauscht wen bei welcher Gelegenheit und warum? Wann ersetzen Roboter Menschen?
Fragen wie diese können bisher nicht hinreichend oder gar umfassend beantwortet werden. Chancen stehen Risiken gegenüber. Kann menschliches Verhalten, Denken und Entscheiden, beeinflusst durch bestimmte Lösungs- oder Bearbeitungsschemata, immer zum richtigen Ziel führen?
Algorithmen, die eindeutig erscheinen und es nicht sind, lassen sich nicht vollkommen ausschließen. Echtes Einfühlungsvermögen, tragende Werte oder gar Liebe. Dies und anders mehr kann Künstliche Intelligenz nicht generieren. Rechenprozesse und Computer kommen zu einem „richtig“ oder „falsch“. Grundlegend ist, dass letztendlich immer noch Menschen die so entstandenen Resultate bewerten. Verantwortung mir und anderen gegenüber, die Freiheit jedes Einzelnen und die Achtung der je eigenen Würde meines Gegenübers sind nicht nur für mich zu schützende und zu bewahrende Grundwerte. Auch in Zukunft, wie auch immer sie aussieht.
Mikrofone kann ich deaktivieren, Kameras an Notebooks abkleben und das W-Lan ausschalten. Künstliche Intelligenz kann Maschinen intelligenter machen. Aber kann sie Menschen ersetzen? Weil sie große Datenmengen in Rekordzeit verarbeiten und darin Muster erkennen kann, bestehende Produkte „intelligenter“ macht, wandlungs- und lernfähig ist, entwickelt sie sich immer weiter und kann ihr Handeln anpassen. Vielfache Veränderungen in unterschiedlichsten Bereichen sind durch KI auch in der Schule zu erwarten. Wie ich damit umgehen lerne, muss ich immer wieder neu entscheiden und mir selbst ein Bild davon machen. Ob es mir zusagt oder nicht.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger