Hat der aber einen großen Schnabel, dieser kleine blaue Pelikan!
Vor kurzem habe ich ihn in unserem Schulhort entdeckt.
Fotografiert habe ich ihn, weil er mich ansprach. Obwohl er doch kein einziges Wort sagte.
Menschen halten oft den Mund. Sie reden nicht so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Weil sie nicht offen zu sagen wagen, was sie tatsächlich bewegt.
Ihr Gegenüber könnte sich über sie lustig machen.
Darüber, dass ihnen gerade die passenden Worte fehlen.
Ist es die Sorge oder gar die Angst, dass andere mich nicht richtig verstehen, mich auslachen?
Dass sie mich „festnageln“ an einer Formulierung, die ich so gar nicht gemeint habe?
Verständlich, dass manche sich nicht festlegen lassen wollen.
Dass sie sich zur Sicherheit ein Hintertürchen offenhalten.
Gerade in einer Schule ist es wichtig, dass jene sich verstehen,
die im Schulalltag viel Zeit miteinander verbringen.
Es kommt immer wieder vor, dass ich mich nicht richtig ausdrücke
und unpassende Worte zur falschen Zeit benutze.
Vermeiden lässt sich nicht, dass andere bei dem, was ich gesagt habe,
im übertragenen Sinn „zwischen den Zeilen“ etwas zu hören glauben,
was ich so gar nicht gemeint oder gewollt habe.
Missverständnisse wegen fehlerhafter Kommunikation gibt es immer wieder und immer noch.
Sind sie wirklich nötig?
Nicht nur im Elisabeth-Gymnasium lerne ich,
etwas in passende Worte zu fassen und auf den Punkt zu bringen.
Damit eindeutig und klar ist, worum es wirklich geht und was Sache ist.
Zwar ist in Fremdsprachen jede Übersetzung aus meiner Nicht-Muttersprache eine Interpretation.
Dabei kann ich vielleicht nicht alle Nuancen in Gänze passend darstellen.
Aber ich habe durch die Übertragung ins Deutsche die Möglichkeit,
wenigstens sinngemäß wiederzugeben, was ich verstanden habe.
In der Hoffnung, dass es richtig ist.
Mancher versteckt sich hinter Fremdworten oder Anglizismen,
um gebildet, wortgewandt oder gar weltmännisch zu wirken.
Warum vermeide ich deutsche Entsprechungen?
Obwohl sie mehr zu meinem Standardwortschatz gehören als jene Begriffe,
die nicht nur in meinen Ohren gut klingen?
Deren eigentlichen Sinn, wenn ich ehrlich bin,
ich nicht immer komplett verstanden oder in seiner Gesamtheit erfasst habe?
„Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.“ (vgl. Mt. 5, 37).
Seine Zuhörer, zu denen Jesus so gesprochen hat, werden darüber vielleicht gestaunt haben.
Oder möglicherweise auch nicht.
Denn wohl auch sie waren nicht stets aufmerksam und haben Christus immer wirklich zugehört.
Unklarheit lässt Interpretationsspielraum zu.
Manchmal ist das so gewollt und nicht prinzipiell falsch.
Doch wenn jede und jeder die je eigene Version eines Satzes als für sich richtig zu erkennen meint,
kann das zu Verwirrung und zu Missverständnissen führen.
Ich bin für Klarheit und Eindeutigkeit dankbar.
Weil ein „Ja!“ ein klares „Ja!“ und ein „Nein!“ ein eindeutiges „Nein!“
und kein „Vielleicht“ oder ein „Ja, aber …“ ist.
Manche Menschen möchten sich weder auf etwas festlegen,
noch sich in irgendeiner Weise eingrenzen lassen.
Deswegen sagen sie aus Angst davor, nicht richtig verstanden zu werden
oder aus erlebten Enttäuschungen lieber nichts und äußern sich nicht oder nicht mehr.
Das ist legitim und nicht unverständlich.
Doch wenn mein Gegenüber nie wirklich weiß, wie sie oder er bei mir tatsächlich dran ist,
denke ich, ist es für beide Seiten nicht gut ist.
Ich wünsche mir nicht, dass jedes meiner Worte
immer im übertragenen Sinn auf die Goldwaage gelegt
und einzelne meiner Formulierungen stets für bare Münze genommen werden.
Aber wenn ich meine Erklärung erst erklären muss, führt das für mich zu weit.
„Echtheit“ oder „Authentizität“ sind für mich Stichworte, die es in sich haben.
Auch für mich. Habe ich es nötig, anderen etwas vorzuspielen?
Muss ich in jene Rolle schlüpfen und sie spielen, die andere als die für mich passende sehen?
Ich darf damit leben, dass ich es nicht in jedem Fall allen recht machen kann.
Ich brauche es aber auch nicht, denn ich bin ich und niemand anders.
Manchmal ist es hilfreich, nicht zu allem und jedem etwas zu sagen.
Aber ich muss mir von niemandem das Wort verbieten lassen und darf klar sagen, was Sache ist.
Der Ton macht dabei die Musik – aber stets den Mund zu halten brauche ich auch nicht.
Die, die mich besser kennen, würden es mir eh nicht glauben können, dass ich immer still bin.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger