22. Februar 2023

Impuls zum Aschermittwoch

„Sie sind aber kein gutes Beispiel fürs Fasten,“ meinte ein Schüler aus der Unterstufe zu mir. Ja, er hat Recht, ich esse gern. Zugegeben, ich habe ein paar Pfunde zu viel. Selten kann ich bei Schokolade widerstehen.

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Am Aschermittwoch, dem 22. Februar beginnt sie wieder, die sechswöchige Fastenzeit vor Ostern. Ist das heute noch von Bedeutung?

Zu allen Zeiten haben aus verschiedensten Gründen Menschen gefastet. Vielfach nicht nur, um abzunehmen, sondern aus religiösen Gründen: In der Bibel in den 4. Kapiteln des Lukas- und des Matthäusevangeliums ist davon die Rede, dass Jesus vierzig Tage lang in der Wüste gefastet habe. Dabei sei er mehrfach versucht worden, habe dem aber stets widerstanden.

Manchen Versuchungen begegne ich, indem ich ihnen erliege. Das ist der einfachste Weg, denn die Versuchung gibt es danach nicht mehr. Doch ist es manchmal nicht doch hilfreich - für mich und für andere -, wenn ich mich einschränke und Verzicht übe? Nicht nur bei Nahrung oder bei Genussmitteln.

Wer bewusst und wissentlich nicht alles tut, was möglich oder machbar ist – auch beim Essen und Trinken -, weiß den Wert dessen oft besser zu schätzen, was für mich selbstverständlich oder zur Gewohnheit geworden ist. Selten müssen Menschen in unseren Breiten hungern. Aber auch bei uns gibt es Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche, denen das Nötigste zum Leben fehlt. 

Wenn alle nur sich und ihren Vorteil an erster Stelle sehen, gibt es Gewinner und Verlierer. Die einen haben viel oder alles – andere gehen leer aus. Hungern kann ich nicht nur körperlich. Der Hunger nach Anerkennung, nach Liebe, danach, dass mich andere so nehmen und akzeptieren, wie ich bin, tut oft mehr weh, als wenn ich mich nicht sattessen kann.
„Solidarität“ ist ein Schlagwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht. Wenn Menschen sich gegenseitig unterstützen und helfen. Weil sie das möchten. Nicht, weil sie es müssen. 

Mit meinem Gegenüber zu teilen, ist nicht immer so leicht getan wie gesagt. Wenn und weil ich Verzicht übe, damit andere Möglichkeiten bekommen, die sie sonst nicht hätten.

Fasten kann ich nicht nur bei Speisen, Getränken, bei Genussmitteln und anderem mehr.  Fasten kann ich auch bei Worten, die meinem Gegenüber nicht guttun. Fasten kann ich bei Taten, die andere in Bedrängnis bringen oder vor den Kopf stoßen. Fasten kann ich beim Überfluss oder beim Zuviel, bei all dem, was mir im Übermaß nicht guttut. 

Auch in einer Schule, wo Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft und Bildungsstand zusammenkommen und viel Zeit miteinander verbringen, kann ich fasten. Fasten mit geringschätzigem Lächeln über die Grenzen meiner Mitschüler oder die derer, die lehren. Fasten an Schadenfreude, wenn jemand nicht das Ergebnis erreicht hat, das sie oder er sich gewünscht hat. Fasten damit, über andere herzuziehen, wenn sie nicht dabei sein können.  

„Das ist ein Fasten, wie ich es liebe,“ heißt es in bildhafter Sprache beim Propheten Jesaja im 58. Kapitel im Alten Testament in der Bibel, „wenn ich die Fesseln des Unrechts löse, die Stricke des Jochs entferne, Versklavte freilasse, jedes Joch zerbreche, an Hungrige mein Brot austeile, obdachlose Arme ins Haus aufnehme, Nackte bekleide oder mich meinen Verwandten nicht entziehe.“ 

Zu hoch gegriffen oder gar zu viel verlangt? Niemand muss alles tun, aber keiner braucht sich zu sagen:  „Weil ich es ja eh nicht schaffe, versuche ich es erst gar nicht mit dem Fasten!“ Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Sogar beim Fasten in all seinen unterschiedlichen Facetten. Ab Aschermittwoch. Sieben Wochen lang bis Ostern. So viele unterschiedliche Möglichkeiten zum Fasten in der Fastenzeit! Für Dich, für Sie und für mich. Damit darf ich anfangen. Immer noch und immer wieder. Auch 2023.
 

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger